Die Geschichte der Organtransplantation

Die Geschichte der Organtransplantation

Die Organ­transplantation ist ein medizinisches Meister­werk, das im Verlauf der Geschichte zahl­reiche Höhen und Tiefen erlebt hat. Von den frühen Versuchen alt­indischer Heiler*innen vor 2.500 Jahren1 über die erste post­mortale Transplantation einer menschlichen Niere 1933 bis zu den heutigen hoch­entwickelten Techniken: Die Organ­transplantation hat eine faszinierende Reise durch medizinische Innovationen und ethische Heraus­forderungen hinter sich. In diesem Artikel blicken wir zurück auf die lange und eindrucks­volle Geschichte der Transplantations­medizin.

Die Organ­transplantation ist ein medizinisches Meister­werk, das im Verlauf der Geschichte zahl­reiche Höhen und Tiefen erlebt hat. Von den frühen Versuchen alt­indischer Heiler*innen vor 2.500 Jahren1 über die erste post­mortale Transplantation einer menschlichen Niere 1933 bis zu den heutigen hoch­entwickelten Techniken:

Die Organ­transplantation hat eine faszinierende Reise durch medizinische Innovationen und ethische Heraus­forderungen hinter sich. In diesem Artikel blicken wir zurück auf die lange und eindrucks­volle Geschichte der Transplantations­medizin.

Die Anfänge der Organ­transplantation (1880 – 1930er Jahre)

Erste Versuche der Gewebe- und Organ­transplantation

Die Anfänge der Transplantation reichen bis ins 19. Jahr­hundert zurück. Einige frühe Experimente, insbesondere im Bereich der Gewebe­transplantation, wurden durchgeführt, doch die Ergebnisse waren begrenzt und die Überlebens­raten gering: Theodor Kocher, ein Schweizer Chirurg, verpflanzte 1883 erstmals einem jungen Mann, dem zuvor die Schild­drüse entfernt werden musste, Schilddrüsen­gewebe unter die Haut. Leider ohne den gewünschten Erfolg, das Gewebe starb kurz darauf ab. 1902 fand in Wien zu Demonstrations­zwecken die erste Nieren­transplantation an einem Hund statt – technisch zwar erfolgreich, aber noch nicht auf den Menschen anwendbar.1

Im Jahr 1933 führte der ukrainische Arzt Dr. Yurii Voronoy die erste Nieren­transplantation an einem Menschen durch. Die 26-jährige Patientin, die eine post­mortale menschliche Nieren­spende erhielt, verstarb nach 2 Tagen aufgrund der fehlenden Blutgruppen­kompatibilität zwischen Spender­organ und Empfängerin.2 Trotzdem war dies ein entscheidender erster Schritt, der den Weg für die Transplantations­medizin ebnete.

Erfolgreiche Nieren­transplantationen (1950er – 1960er Jahre)

Die erste erfolgreiche Nieren­transplantation am Menschen wurde 1954 von Dr. Joseph Murray in Boston durchgeführt: Der Patient, Richard Herrick, erhielt von seinem eineiigen Zwillings­bruder eine Nieren­lebendspende. Die Operation verlief erfolgreich, und Richard lebte noch weitere 8 Jahre mit der Spender­niere.3 1956 gelang Murray die zweite Nieren­transplantation bei ein­eiigen Zwillingen – die Empfängerin lebte mit ihrer Spender­niere noch bis 2011, bis sie im Alter von 76 Jahren verstarb. Dieser Durch­bruch demonstrierte die Möglichkeit, Nieren zwischen genetisch identischen Individuen zu transplantieren und bestätigte bereits gewonnene Erkenntnisse zur Rolle des Immun­systems und Abstoßungs­reaktionen bei Organ­transplantationen.

Fortschritte in der Organ­transplantation (1960er - 1980er Jahre)

Entwicklung von Immun­suppressiva

Einer der Schlüssel zu erfolgreichen Organ­transplantationen war die Entwicklung der Immun­suppressiva. In den 1960er Jahren wurden Medikamente wie Azathioprin und Prednison eingeführt, die das Immun­system unterdrücken und so das Risiko der Ab­stoßung reduzieren konnten. Auch hier war Dr. Joseph Murray ein Pionier seiner Zeit: zusammen mit den beiden Bio­chemikern George Hitchings und Gertrude Elion testete er mögliche Substanzen zur Unter­drückung des Immun­systems – und fand Azathioprin. 1962 hatten sie die geeignete Zusammen­setzung und Dosierung gefunden, die Transplantationen auch zwischen nicht genetisch identischen Menschen ermöglichen sollte – dies im Unter­schied zum bis­herigen Vorgehen auch für post­mortale Spenden.4

Anfang der 1970er Jahre entdeckten die Forscher Borel und Stähelin beim Schweizer Konzern Sandoz den Wirk­stoff Ciclosporin, ein neben Tacrolimus (entdeckt 1987) und Sirolimus (entdeckt 1975) bis heute in der Transplantations­medizin etablierter Wirk­stoff.7

Beginn der Leber- und Herztransplantation

Im Jahr 1963 erfolgte in den USA die erste Lungen­transplantation, durchgeführt von James Hardy. Der Patient überlebte 18 Tage mit dem neuen Organ.5 Im selben Jahr wird auch in Deutschland die erste erfolgreiche Nieren­transplantation durchgeführt – am Klinikum Steglitz in Berlin.6

1967 führte Dr. Christiaan Barnard die erste erfolgreiche Herz­transplantation am Menschen durch. Der Patient, Louis Washkansky überlebte die Operation jedoch nur für 18 Tage – aufgrund der Immun­suppression erlitt er eine tödlich verlaufende Lungen­entzündung. Die zweite Herz­transplantation Barnards im Jahr 1968 war erfolgreicher – der Patient lebte noch weitere 18 Monate mit dem transplantierten Herzen. Diese Meilen­steine zeigten die Machbar­keit der Herz­transplantation, waren aber auch von ethischen Diskussionen über die Lebens­qualität der Empfänger geprägt. 1967 war zudem das Jahr der ersten erfolgreichen Leber­transplantation durch Thomas E. Starzl, die ebenfalls in den USA statt­fand.

Heraus­forderungen der Organ­transplantation (20. – 21. Jahrhundert)

Der Erfolg der Organ­transplantation wurde von zahlreichen ethischen Debatten begleitet, darunter die Frage nach der gerechten Verteilung von Organen, der Ein­fluss von Geld und sozialem Status auf den Zu­gang zur Transplantation, sowie die Auseinander­setzung mit den Grenzen der Lebenserhaltungs­technologie.

Abstoßungs­reaktionen und Transplantat­überleben

Spender*in und Empfänger*in wurden für frühere Trans­plantationen nur über eine Blutgruppen­übereinstimmung zusammen­geführt. Mitte der 1960er Jahre entdeckte Prof. Jon van Rood an der nieder­ländischen Universität Leiden Hinweise darauf, dass das HLA (Human Leucocyte Antigen) Systems eine immens wichtige Rolle für den Erfolg oder Miss­erfolg der Organ­transplantation spielt: Eine Über­einstimmung der HLA-Typen bei Spender*in und Empfänger*in führte zu einem ver­besserten Über­leben von Spende­organ und Empfänger*in. Allerdings erschwerte die große Anzahl der HLA-Antigene auch die Suche nach einem/-r passenden Spender*in. Aus diesem Grund gründete er im Jahr 1967 die Euro­transplant Inter­national Foundation, einen Verbund von Transplantations­zentren, die durch eine gemeinsame Warte­liste und den Austausch der Spender*innen­informationen dazu beitrugen, dass es mehr und vor allem bessere Spender-/Empfänger*innenkom­binationen gab.8

Im Jahr 1984 wurde in Deutschland die Deutsche Stiftung Organ­spende (DSO) gegründet. Sie dient als bundes­weite Koordinierungs­stelle der post­mortalen Organ­spenden in Deutsch­land und organisiert den gesamten Ablauf der Organ­spende.

Zusätzlich trat am 1.12.1997 in Deutschland das Transplantations­gesetz in Kraft, in welchem fest­gelegt ist, wie die Spende, Entnahme und Über­tragung von Organen und Geweben abzu­laufen hat.6 Zusätzlich sind auch die ethischen Über­legungen zur gerechten Ver­teilung von Organen nach wie vor von großer Bedeutung. Diskussionen über Alters­grenzen, sozio­ökonomische Faktoren und andere Einfluss­faktoren sind wichtige Aspekte, die dabei berücksichtigt werden müssen.

Organ­mangel und Warte­listen

Trotz aller Fort­schritte bleibt hierzulande der Organ­mangel eine entscheidende Heraus­forderung: Die Zahl der Menschen auf Warte­listen über­steigt bei weitem die Anzahl der verfügbaren Spender­organe. So standen zum 31.12.2022 8.826 Menschen in Deutsch­land auf der Warte­liste für ein neues Organ, davon warten allein 6.683 Menschen auf eine neue Niere. Dem­gegenüber stehen 2.662 gespendete Organe in 2022.9

Die Zukunft der Organ­transplantation

Das 21. Jahr­hundert brachte weiter­führende techno­logische Ent­wicklungen in der Organ­transplantation: Roboter­gesteuerte Operationen, verbesserte Immuntherapien und innovative Organ­bewahrungsmethoden trugen dazu bei, die Erfolgs­raten zu steigern und die Lebens­qualität der Empfänger zu verbessern.

Xeno­transplantation: Ein neuer Horizont?

Die Xeno­transplantation könnte die Zukunft der Organ­transplantation revolutionieren. Diese inno­vative Methode bein­haltet die Über­tragung von tierischen Organen auf den Menschen, um den wachsenden Bedarf an Spender­organen zu decken. Schweine gelten dabei als viel­versprechende Spender, da ihre Organe in Größe und Funktion dem menschlichen Körper ähneln. Allerdings gibt es noch große Hürden, vor allem im Bereich der Immun­ologie, aber auch der potenziellen Gefahr, dass bei der Transplantation Krankheits­erreger wie z.B. Viren von Tier zu Mensch über­tragen werden könnten.10 Darüber hinaus wirft die Nutzung von Tieren für Organ­transplantationen ethische Fragen und Bedenken hinsichtlich des Tier­wohls und der moralischen Verant­wortung auf, die es zu klären gilt.

Bioa­rtifizielle Organe: Design der Zukunft?

Bio­artifizielle Organe, also Organe, die im Labor „gezüchtet“ wurden, sind immer wieder Mittel­punkt der medialen Bericht­erstattung. So könnte man damit den Organ­mangel bekämpfen und hätte gleich­zeitig durch das angepasste „Design“ der Organe weniger Heraus­forderungen im Bereich der Ab­stossung, da diese aus körper­eigenen Stamm­zellen oder anderen speziell gezüchteten Zellen gewonnen werden.11 Trotz der viel­versprechenden Aspekte stehen bio­artifizielle Organe aber auch heute noch vor zahl­reichen Heraus­forderungen, darunter die Gewähr­leistung der Funktion­alität über einen längeren Zei­traum, die Mini­mierung von Immun­reaktionen und die Umsetzung sicherer Herstellungs­methoden. Die Forschung in diesem Bereich bleibt intensiv, und Fort­schritte könnten die Zukunft der Transplantations­medizin maß­geblich beein­flussen.

Fazit

Die Geschichte der Organ­transplantation ist eine faszinierende Reise durch medizinische Fort­schritte, ethische Heraus­forderungen und die Hoffnung auf ein längeres, gesünderes Leben. Von den ersten zag­haften Versuchen bis zu den modernen Technologien hat die Organ­transplantation das Gesicht der Medizin verändert und die Grenzen des Möglichen erweitert. Während Heraus­forderungen wie Organ­mangel und ethische Debatten weiterhin bestehen, sind die Fort­schritte in der regenerativen Medizin und der Xeno­transplantation viel­versprechende An­zeichen für eine Zukunft, in der die Organ­transplantation noch sicherer, effektiver und zugänglicher wird.
  1. https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/geschichte/ zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  2. Surgeon Yurii Voronoy (1895–1961) – a pioneer in the history of clinical transplantation: in Memoriam at the 75th Anniversary of the First Human Kidney Transplantation | Edouard Matevossian, Hans Kern, Norbert Hüser, Dietrich Doll, Yurii Snopok, Jörg Nährig, Jennifer Altomonte, Inga Sinicina, Helmut Friess, Stefan Thorban | First published: 27 October 2009 https://doi.org/10.1111/j.1432-2277.2009.00986.x zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  3. Merrill JP, Murray JE, Harrison JH, Guild WR. SUCCESSFUL HOMOTRANSPLANTATION OF THE HUMAN KIDNEY BETWEEN IDENTICAL TWINS. JAMA. 1956;160(4):277–282. doi:10.1001/jama.1956.02960390027008
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Edward­_Murray zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  5. https://de.wikipedia.org/wiki/James_D._Hardy­_(Mediziner) zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  6. https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/geschichte/ zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  7. https://www.arzneimittel-atlas.de/arzneimittel/l04-immunsuppressiva/meilensteine/­#:~:text=Die%20%C3%A4ltesten%20Wirkstoffe­%20in%20der,zur%20Anwendung%20in%20der­%20Krebstherapie. zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  8. https://www.eurotransplant.org/about-eurotransplant/history-and-timeline/ zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  9. https://dso.de/organspende/statistiken-berichte/organspende zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  10. https://www.pei.de/DE/newsroom/pm/jahr/2023/­04-schweine-organspender-schutz-vor-infektionen-durch-retroviren.html zuletzt abgerufen am 29.02.2024
  11. https://www.ekah.admin.ch/inhalte/ekah-dateien/dokumentation/gutachten/Anne_­Eckhardt_AlternativenXenotransplantation_­Kurzgutachten_def_230915.pdf zuletzt abgerufen am 29.02.2024

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