Komplikationen nach Leber- und Nierentransplantation
Allgemeine Komplikationen
Abstoßungsreaktionen
Das menschliche Immunsystem ist darauf ausgelegt, Krankheitserreger und Fremdkörper zu erkennen und zu bekämpfen. Daher reagiert es unter Umständen auch auf ein transplantiertes Organ. Durch die lebenslange Einnahme immunsuppressiver Medikamente kann die Immunantwort unterdrückt werden. Obwohl diese Behandlung zwar den Erfolg der Transplantation maßgeblich steigert, besteht weiterhin ein Restrisiko für eine Abstoßungsreaktion gegenüber dem Spenderorgan.19
Abstoßungsreaktionen werden nach dem Zeitpunkt ihres Auftretens sowie nach ihrem Schweregrad unterschieden:4,5
Eine hyperakute Abstoßung tritt unmittelbar nach der Operation auf. Die Reaktion wird durch besondere Proteine, sogenannte Antikörper, ausgelöst. Diese Form kommt jedoch nur selten vor, da sie in der Regel durch sorgfältige Voruntersuchungen verhindert werden kann.4,5
Eine akute Abstoßung beginnt meistens innerhalb der ersten drei Monate nach der Transplantation.6 Diese Form der Abstoßung basiert vornehmlich auf der Aktivität spezieller weißer Blutkörperchen, den sogenannten zytotoxischen T-Zellen.4,5 Ihre Hauptfunktion besteht darin, infizierte Zellen und bestimmte Arten von Krebszellen als fremd zu erkennen und abzutöten. Nach einer Transplantation können diese Zellen auch das Spenderorgan als fremd identifizieren und angreifen.20 Eine akute Abstoßung tritt bei etwa einem Drittel aller Leber- und Nierentransplantierten auf.7
Monate bis Jahre nach der Transplantation kann sich eine chronische Abstoßung entwickeln, die häufig schwer behandelbar und oftmals auf eine unregelmäßige Medikamenteneinnahme zurückzuführen ist. Diese Form kann zu einer langfristigen Funktionseinschränkungen des Transplantats führen und macht häufig eine erneute Transplantation notwendig. Allerdings ist eine chronische Abstoßung nur selten und tritt bei ca. 2 – 4 % der erwachsenen Lebertransplantierten auf.6,7
Obwohl Abstoßungsreaktionen nach einer Transplantation anfangs oft keine Symptome zeigen und hauptsächlich durch Labortests erkennbar sind, gibt es bestimmte Warnzeichen. So kann sich die Abstoßung der Leber durch Schwächegefühl, Müdigkeit, Fieber, Appetitlosigkeit, Schmerzen im Bauchraum, hellen Stuhl, dunklen Urin sowie einer Gelbfärbung von Augenweiß und Haut bemerkbar machen.6 Nach einer Nierentransplantation können eine erhöhte Temperatur (> 37,5° C), Schmerzen im Bereich der transplantierten Niere, eine verminderte Urinausscheidung oder Wassereinlagerungen im Körper (Ödeme) auf eine solche Reaktion hinweisen.8
Infektionen
Eine weitere Komplikation nach einer Transplantation stellen Infektionen mit Bakterien, Viren oder Pilzen dar.9,10 Dabei können die Infektionen im Rahmen des operativen Eingriffs oder aufgrund der reduzierten Immunabwehr auftreten.11 Bakterielle Infektionen treten beispielsweise oft als Wundinfektionen an der Operationsnarbe auf. Typische Symptome sind Rötungen, Schwellungen, Schmerzen und möglicherweise aus dem betroffenen Bereich austretender Eiter.9 Pilzinfektionen werden häufig durch den Hefepilz Candida albicans ausgelöst und können in Form von Entzündungen u. a. in der Mund- und Rachenraum (Soor), der Wunde, aber auch der Atemwege oder des Urogenitaltrakts auftreten. Symptome hierfür können weiße, raue Beläge auf der Mundschleimhaut, Schluckbeschwerden, Schmerzen beim Wasserlassen oder gelblich-weißer Genitalausfluss sein.9 Darüber hinaus werden Virusinfektionen aufgrund der reduzierten Immunabwehr durch die Immunsuppressiva begünstigt. So können z. B. Infektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV) auftreten, die sich durch Symptome wie Fieber, Müdigkeit, Gelenk- und Kopfschmerzen, Sehstörungen sowie Lungenentzündungen äußern.9,10 Auch normalerweise harmlose Erreger können durch die immunsuppressive Therapie gefährlich werden.3
Komplikationen nach einer Lebertransplantation
Bei etwa 5 – 10 % der Transplantierten kommt es vor, dass die neue Leber ihre Funktionen gar nicht aufnimmt (primäres Transplantatversagen). Häufiger tritt jedoch eine Transplantatdysfunktion auf, bei der das Spenderorgan seine Aufgaben nur teilweise erfüllt.12 Dabei spielt die Qualität der Spenderleber eine Rolle, die durch Faktoren wie das Alter der spendenden Person, die Dauer der intensivmedizinischen Behandlung vor der Organspende und die Transportbedingungen beeinflusst wird. Sollte es zu einem Transplantatversagen oder einer ungenügenden Erholung der Dysfunktion kommen, ist oft eine zweite Transplantation erforderlich.2
Zudem können Komplikationen an den Blutgefäßen oder Gallengängen der transplantierten Leber auftreten, wodurch weitere operative Eingriffe oder eine erneute Transplantation notwendig werden können.2 So entwickelt sich in etwa 2 – 5 % der Fälle ein Blutgerinnsel in der Leberarterie, wodurch die Versorgung mit sauerstoffreichem Blut unterbrochen wird. Bei Problemen mit den Gallengängen treten häufig Verengungen durch Narbengewebe oder Lecks, die zum Austritt von Gallenflüssigkeit führen, auf. Dies geschieht in etwa 15 % der Fälle.2
Komplikationen nach einer Nierentransplantation
In 10 – 15 % der Fälle nimmt die transplantierte Niere ihre Funktion nicht sofort auf.9 Dies kann eine vorübergehende Dialysebehandlung erfordern, bis die Nierenfunktion einsetzt.8 Die chronische Allograft-Nephropathie (CAN) ist eine langfristige Erkrankung des Nierentransplantats, die durch einen stetigen Rückgang der Nierenfunktion gekennzeichnet ist.13 Diese Erkrankung entwickelt sich über Monate oder Jahre und ist der vorherrschende Grund für das Versagen des transplantierten Organs nach dem ersten Jahr. Früher galt die CAN als eine Form der dauerhaften Transplantatabstoßung, doch heute weiß man, dass verschiedene Faktoren zu ihrer Entwicklung beitragen können.13
Eine weitere Komplikation ist eine Urinfistel.1,8 Dabei bildet sich eine abnormale Verbindung zwischen der Blase und einem anderen Organ oder dem äußeren Körper. Wenn eine solche Fistel nach einer Transplantation auftritt, kann dies dazu führen, dass der Harnleiter undicht wird. Die Undichtigkeit oder Verengung des Harnleiters führt wiederum zu einem gestörten Urinabfluss, was eine häufige Komplikation nach einer Nierentransplantation ist. Dies kann gegebenenfalls eine weitere Operation erforderlich machen.8
Zudem besteht das Risiko, dass sich Blutgerinnsel in den Blutgefäßen bilden, die die neue Niere versorgen. Auch die Wahrscheinlichkeit an einem Tumor zu erkranken ist nach einer Nierentransplantation dreifach erhöht.8
Komplikationen vorbeugen
Sie können aktiv dazu beitragen, das Risiko von Komplikationen zu minimieren:
Um Infektionen vorzubeugen, reichen in der Regel ein paar einfache Maßnahmen aus. Dazu gehören neben der allgemeinen Körperhygiene und häufigem Händewaschen ausreichende Schlaf- und Erholungszeiten, eine gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Betätigung und die Vermeidung einer Gewichtszunahme.11,14 Außerdem sollte kein Kontakt zu erkrankten Personen bestehen und bei erhöhter Ansteckungsgefahr (z. B. Grippewellen) größere Menschenansammlungen gemieden werden. Regelmäßige Impfungen tragen zwar ebenfalls dazu bei, Infektionen zu reduzieren, können aber unter immunsuppressiver Therapie weniger wirksam sein. Auch das Impfen des direkten Umfeldes der Patient*innen begünstigt durch die Herdenimmunität einen Schutz vor Infektionen.21
Zur Minimierung einer Abstoßungsreaktion, ist es entscheidend, die verschriebenen Medikamente konsequent und genau nach Anweisung einzunehmen.15 Änderungen an der Dosierung oder dem Einnahmeplan sollten niemals ohne ärztliche Rücksprache vorgenommen werden. Auch zusätzliche Medikamente – selbst rezeptfreie – sollten nicht ohne vorherige Absprache eingenommen werden, um eine Wechselwirkung mit der bestehenden Medikation zu vermeiden.11,14 Zudem ist es wichtig, alle geplanten Nachuntersuchungen wahrzunehmen, da Veränderungen in den Laborwerten oft die ersten Anzeichen einer Abstoßungsreaktion sind.22
Achten Sie genau auf Ihren Körper: Indem Sie Veränderungen frühzeitig bemerken, können Sie aktiv zur Erhaltung Ihrer Gesundheit nach einer Transplantation beitragen.
Fazit
Nach einer Leber- oder Nierentransplantation können Komplikationen wie Infektionen, Blutungen und Wundheilungsprobleme auftreten. Spezifisch für Transplantationen ist das Risiko einer Organabstoßung sowie ein Transplantatversagen oder eine Transplantatdysfunktion. Zu möglichen Komplikationen nach einer Lebertransplantation gehören ebenfalls Blutgerinnsel in der Leberarterie oder Probleme mit den Gallengängen. Nach einer Nierentransplantation besteht ein Risiko für eine verzögerte Nierenfunktion oder die Ausbildung einer Urinfistel. Vielen dieser Komplikationen kann durch eine entsprechende Lebens- bzw. Verhaltensweise wie z. B. Hygienemaßnahmen oder die regelmäßige Einnahme der Medikamente vorgebeugt werden.
Für mehr Informationen rund um die Nieren- oder Lebertransplantation schauen Sie einfach in unsere Informationsbroschüren:
FAQs – Häufig gestellte Fragen
- LMU Klinikum. Nach der OP einer Nierentransplantation. https://www.lmu-klinikum.de/transplantationszentrum-lmu/patienteninfos/organtransplantation/nierentransplantation/nach-der-op-einer-nierentransplantation/db77ee897ce2a0c4#:~:text=Eine%20urologische%20Komplikation%20ist%20die,um%20die%20erforderliche%20Ausscheidung%20wiederherzustellen., abgerufen am: 08.04.2024
- Uniklinikum Würzburg. Komplikationen nach Lebertransplantation. 2024. https://www.ukw.de/behandlungszentren/leberzentrum/schwerpunkte/lebertransplantation/komplikationen-nach-lebertransplantation/, abgerufen am: 05.03.2024
- Schmied BM, Sauer P, Müller SA. Probleme nach Lebertransplantation. Intensivmedizin up2date 2007;4(03):217-28
- DocCheck. Transplantatabstoßung. 2024. https://flexikon.doccheck.com/de/Transplantatabsto%C3%9Fung, abgerufen am: 08.04.2024
- Immunologie für Jedermann. Abstossung und Immunsupression. 2024. https://das-immunsystem.de/wissenswertes/organtransplantation/abstossung-und-immunsuppression/, abgerufen am: 08.04.2024
- Lebertransplantierte Deutschland e.V. Abstoßungreaktion. 2015. https://lebertransplantation.eu/transplantation/nach-der-transplantation/abstossungsreaktion, abgerufen am: 08.04.2024
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- Transplantationszentrum Uniklinik Bern. Komplikationen. https://www.transplantationszentrum-bern.ch/de/transplantationen/nierentransplantation/komplikationen.html, abgerufen am: 08.04.2024
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- LMU Klinikum. Verhaltensregeln nach einer Nierentransplantation. https://www.lmu-klinikum.de/transplantationszentrum-lmu/patienteninfos/organtransplantation/nierentransplantation/verhaltensregeln-nach-einer-nierentransplantation/ddffd8ca55377f96, abgerufen am: 08.04.2024
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- MEDICILIN. Leben nach Nierentransplantation und Nierenlebendspende. 2020. https://www.mediclin.de/fileadmin/02_Dokumente_Share_verzeichnis/01_Klinikuebergreifende_Dokumente/Gruene_Reihe/Nierentransplantation.pdf, abgerufen am: 08.04.2024
- Transplantationszentrum Uniklinik Bern. Transplantationen. https://www.transplantationszentrum-bern.ch/de/transplantationen.html, abgerufen am: 08.04.2024
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- Organspende-Info. Ablauf einer Organspende. https://www.organspende-info.de/organspende/ablauf-einer-organspende/erfolgsaussichten/, abgerufen am 16.05.2024
- Janeway Immunologie, 7. Auflage, Ausgabe 2014, von Kenneth M. Murphy, Paul Travers, Mark Walport, ISBN 3-662-44227-2
- Nierenzentrum Heidelberg. Impfungen. https://www.nierenzentrum-heidelberg.com/fuer-patienten/impfungen/, abgerufen am 16.05.2024
- Lebertransplantierte Deutschland e.V. Transplantation. https://lebertransplantation.eu/transplantation/nach-der-transplantation/laborwerte, abgerufen am 16.05.2024
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