Adhärenz – der Schlüssel zu einem langen Leben nach der Transplantation

Adhärenz – der Schlüssel zu einem langen Leben nach der Transplantation

Ein Arzt im Kittel hält zwei Tablettenblister mit unterschiedlich gefärbten Tabletten

Definition von Adhärenz

Adhärenz (auch Therapietreue bzw. -adhärenz genannt) bezeichnet das Ausmaß, in dem Patient*innen die gemeinsam mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin vereinbarten Therapie­empfehlungen befolgen. Dazu gehört das richtige Einnehmen von Medikamenten (Medikamenten­adhärenz), das Einhalten von Diät­vorgaben, das Durch­führen von empfohlenen Lebensstil­änderungen und das Wahrnehmen von Arzt­terminen. Eine hohe Therapie­adhärenz ist entscheidend für den Therapie­erfolg und die Gesundheit der Patient*innen.1

Adhärenz und Immun­suppression

Um eine Organ­abstoßung zu verhindern, werden nach einer Transplantation immunsuppressive Medikamente eingesetzt, durch die die Aktivität des Immunsystems unterdrückt wird.2 Die Medikamenten­adhärenz spielt bei Immun­suppressiva eine entscheidende Rolle, denn diese müssen regelmäßig und zeit­gerecht eingenommen werden, damit sie eine entsprechende Wirkung erreichen.3 Unter­suchungen haben gezeigt, dass bei Transplantations­patient*innen aufgrund verschiedener Faktoren (wie z.B. Neben­wirkungen) eine niedrige Adhärenz nicht unüblich ist, wobei es Schwankungen je nach transplantiertem Organ gibt: Herz­empfänger*innen sind beispielsweise nur zu 15-18 % nicht-adhärent, während diese Zahl bei Patient*innen, die ein Nieren­transplantat erhalten haben, mit 30-36 % doppelt so hoch ist.4 Die Folgen können weit­reichend sein, da eine niedrige oder nicht vorhandene Adhärenz das Risiko für eine Abstoßungs­reaktion und im schlimmsten Falle den Transplantat­verlust nach sich ziehen kann.5,6

Welche Faktoren beeinflussen die Medikamenten­adhärenz?

Die Medikamenten­adhärenz wird von einer Viel­zahl von Faktoren beeinflusst, die in mehrere Kategorien unterteilt werden können:7

 

  1. Persönliche Faktoren
  • Verständnis der Erkrankung: Es ist wichtig, dass Sie Ihre Krankheit und die Bedeutung der Behandlung gut verstehen. Wenn etwas unklar ist, kann das die regel­mäßige Einnahme erschweren.
  • Einstellung zur Therapie: Ihre Einstellung zu den Medikamenten und mögliche Sorgen, wie z. B. die Angst vor Neben­wirkungen, können beeinflussen, wie konsequent Sie Ihre Medikation einnehmen.
  • Vergesslichkeit: Es kann vorkommen, dass Sie das Einnehmen von Medikamenten vergessen. Besonders wenn Sie viele verschiedene Tabletten zu unterschiedlichen Zeiten einnehmen müssen, kann dies leicht passieren.
  • Psychische Gesundheit: Depressionen, Ängste oder andere psychische Belastungen können es schwerer machen, sich an den Therapie­plan zu halten.
 
  1. Medikamenten­bedingte Faktoren
  • Neben­wirkungen: Wenn Sie Angst vor Neben­wirkungen haben oder diese tatsächlich erleben, kann das dazu führen, dass Sie die Medikation absetzen.
  • Komplizierte Einnahme: Wenn Sie mehrere Medikamente einnehmen müssen oder diese oft am Tag einnehmen sollen, kann das die regel­mäßige Einnahme erschweren.
 
  1. Erkrankungs­bedingte Faktoren
  • Schwere der Erkrankung und Symptome: Wenn Ihre Erkrankung keine deutlichen Symptome zeigt, kann es schwerer sein, die Notwendigkeit der Medikation zu erkennen. Dies ist besonders bei Immun­suppression ein wichtiger Faktor, da z.B. bei Nicht-Einnahme der Medikamente nicht sofort eine Abstoßung oder andere spürbare Auswirkungen eintreten.
  • Chronische Erkrankungen: Lang­fristige Behandlungen bei chronischen Erkrankungen wie nach einer Transplantation können es schwer machen, die Medikation konsequent über einen langen Zeit­raum einzunehmen.
 
  1. Die Beziehung zu Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin
  • Kommunikation: Es ist wichtig, dass Sie gut verstehen, warum Sie Ihre Medikamente ein­nehmen müssen und wie Sie das richtig tun. Eine gute Kommunikation mit Ihrem Arzt/ Ihrer Ärztin kann dabei helfen.
  • Vertrauen: Wenn Sie Ihrem Arzt/ Ihrer Ärztin vertrauen, wird es Ihnen leichter fallen, die gegebenen Empfehlungen zu befolgen.
  • Unterstützung: Regel­mäßige Nach­sorge und Unterstützung durch Ihren Arzt/ Ihre Ärztin können Ihnen helfen, Ihre Therapie zu befolgen.
 
  1. Soziale und ökonomische Faktoren
  • Unterstützung durch andere: Die Unterstützung durch Familie, Freunde oder Pflege­personal kann Ihnen helfen, Ihre Medikamente regel­mäßig einzunehmen.
  • Alter: Auch das Alter kann einen großen Einfluss auf die Adhärenz haben, so gibt es Unterschiede zwischen der Adhärenz bei Kindern, Heran­wachsenden, Erwachsenen oder älteren Menschen.

Bedeutung der Adhärenz für die Behandlungs­effektivität

Die Adhärenz hat eine zentrale Bedeutung für die Behandlungs­effektivität, da sie direkt beeinflusst, wie erfolgreich eine Therapie verläuft. Dabei sind nach­folgend wesentliche Punkte zusammengefasst:8

  1. Optimale Wirksamkeit der Therapie
    Medikamente und Behandlungen können nur dann effektiv wirken, wenn sie gemäß den Anweisungen eingenommen oder angewendet werden. Eine hohe Medikamenten­adhärenz stellt sicher, dass die erforderlichen Wirkstoff­konzentrationen im Körper erreicht werden, was entscheidend für den Therapie­erfolg ist. Im Falle einer Transplantation verringert eine hohe Therapie­adhärenz das Risiko einer Abstoßungs­reaktion, die im schlimmsten Fall den Verlust des Transplantats nach sich ziehen könnte.5

  2. Vertrauen in die Therapie
    Patient*innen, die die Therapie genau befolgen, sehen häufiger positive Ergebnisse, was ihr Vertrauen in die Behandlung und ihre Bereitschaft zur Fortsetzung der Therapie stärkt. Dieses Vertrauen ist ein wichtiger Faktor für die lang­fristige Effektivität der Behandlung.4 

  3. Verminderung von Rück­fällen und Rehospitalisierungen
    Bei vielen Erkrankungen reduziert eine hohe Adhärenz das Risiko von Rückfällen und Rehospitalisierungen. Dies ist besonders wichtig bei chronischen und schwerwiegenden Erkrankungen wie etwa nach der Tx, bei denen eine kontinuierliche Therapie unerlässlich ist.9

Tipps zur Förderung der Adhärenz

Hier sind einige Tipps, die Ihnen helfen können, Ihre Therapie erfolgreich einzuhalten und Ihre Gesundheit zu verbessern:

  1. Verstehen Sie Ihre Therapie
  • Informieren Sie sich: Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Erkrankung und die Bedeutung Ihrer Behandlung gut verstehen. Zögern Sie nicht, Ihrem Arzt/ Ihrer Ärztin oder Apotheker*innen Fragen zu stellen, wenn etwas unklar ist.
  • Sprechen Sie offen: Wenn Sie Bedenken oder Ängste bezüglich Ihrer Medikation haben, teilen Sie diese mit Ihrem Arzt oder ihrer Ärztin. Eine klare Kommunikation hilft, Miss­verständnisse zu vermeiden.

  1. Beteiligen Sie sich aktiv
  • Entscheidungen treffen: Arbeiten Sie mit Ihrem Arzt oder ihrer Ärztin zusammen, um den besten Therapieplan für Sie zu erstellen. Wenn Sie sich in die Entscheidungen eingebunden fühlen, fällt es leichter, die Therapie zu befolgen.
  • Persönliche Anpassungen: Besprechen Sie mit Ihrem Arzt oder ihrer Ärztin, wie Ihre Therapie in Ihren Alltag passt. Eine auf Sie zugeschnittene Therapie ist oft leichter einzuhalten.

  1. Nutzen Sie Erinnerungen
  • Einnahmepläne: Verwenden Sie Pläne oder Tabellen, die Ihnen helfen, den Überblick über Ihre Medikamente zu behalten.
  • Technische Hilfe: Nutzen Sie Erinnerungs-Apps (z.B. Mediteo) auf Ihrem Smart­phone oder stellen Sie sich Wecker, die Sie an die Einnahme­zeiten erinnern.
  • Pillen­boxen: Eine Pillen­box kann Ihnen helfen, die Einnahme Ihrer Medikamente für die Woche zu organisieren

  1.  Bauen Sie Unterstützung auf
  • Einbeziehung von Angehörigen: Bitten Sie Familien­mitglieder oder Freunde, Sie bei Ihrer Therapie zu unterstützen, indem sie Sie an die Einnahme erinnern oder Sie zu Terminen begleiten.
  • Miteinander sprechen: Sprechen Sie offen mit Ihren Angehörigen über Ihre Therapie, damit sie Sie besser unterstützen können.
  • Zugang erleichtern: Nutzen Sie Möglichkeiten wie Hausliefer­dienste oder Tele­medizin, um Ihre Therapie für sich leichter zugänglich zu machen.

  1. Vereinfachen Sie Ihren Therapie­plan
  • Weniger ist mehr: Wenn möglich, besprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, ob Ihre Medikation vereinfacht werden kann, z. B. durch die Reduzierung der Einnahme­häufigkeit.
  • Kombi­präparate: Fragen Sie nach Medikamenten, die mehrere Wirkstoffe in einer Tablette enthalten, um die Einnahme zu erleichtern und die Tablettenmenge zu reduzieren

  1. Bleiben Sie in Kontakt
  • Regel­mäßige Termine: Gehen Sie regelmäßig zu Nachsorge­terminen, um den Erfolg Ihrer Therapie zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
  • Feedback erhalten: Ihr Arzt oder ihre Ärztin wird Ihnen regel­mäßig Rück­meldung geben, wie gut die Therapie wirkt und wie Sie weiterhin erfolgreich bleiben können.

    Indem Sie diese Tipps befolgen, können Sie Ihre Therapie optimal umsetzen und Ihre Gesundheit bestmöglich unterstützen.

    Für weitere Informationen rund um Ihre Nieren- oder Leber­transplantation empfehlen wir Ihnen unsere Broschüren „Wissenswertes rund um Ihre Nierentransplantation“ oder „Wissenswertes rund um Ihre Lebertransplantation“

Fazit

Die Adhärenz ist ein Schlüssel­indikator für die Behandlungs­effektivität. Sie bestimmt maßgeblich den Erfolg einer Therapie und beeinflusst sowohl die kurz- als auch die langfristigen Gesundheits­ziele der Patient*innen.3 Insbesondere bei Immunsuppressiva ist eine hohe Adhärenz entscheidend, um Abstoßungs­reaktionen und schlimmstenfalls einem Transplantat­verlust vorzubeugen. Aber lassen Sie sich nicht entmutigen – es gibt viele Hilfs­mittel, die Ihnen zur Verfügung stehen, um adhärent zu sein und zu bleiben – Sie schaffen das!

Wenn Sie noch mehr zum Thema Transplantation, Immunsuppression und Adhärenz erfahren möchten, dann schauen Sie doch mal in unsere Mediathek! Hier erklären Ihnen unsere Expert*innen alles im spannenden Video­format!

FAQs – Häufig gestellte Fragen

Adhärenz (auch Therapietreue bzw. -adhärenz genannt) bezeichnet das Ausmaß, in dem Patient*innen die gemeinsam mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin vereinbarten Therapie­empfehlungen befolgen. Dazu gehört das richtige Einnehmen von Medikamenten, das Einhalten von Diät­vorgaben, das Durch­führen von empfohlenen Lebensstil­änderungen und das Wahr­nehmen von Arzt­terminen. Eine hohe Therapie­adhärenz ist entscheidend für den Therapie­erfolg und die Gesundheit der Patient*innen.1

Um ihre Adhärenz zu steigern, können Sie folgende Schritte unternehmen:

  • Information: Verstehen Sie Ihre Erkrankung und die Bedeutung der Medikation.
  • Einfache Therapie: Besprechen Sie  die Möglichkeit vereinfachter Einnahme­pläne und Kombi­präparate mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin.
  • Erinnerungs­hilfen: Verwenden Sie Apps oder Pillen­boxen, um die Einnahme nicht zu vergessen.
  • Unterstützung: Binden Sie Ihre Familie und Freunde mit ein und suchen Sie regel­mäßig den Austausch mit Ihrem Arzt/ Ihrer Ärztin.
  • Motivation: Setzen Sie sich kleine Ziele und feiern Sie Fort­schritte.
Non-Adhärenz zeigt sich, wenn Medikamente nicht wie vorgeschrieben eingenommen werden. Dies kann bedeuten, dass Dosen ausgelassen, die Einnahme komplett abgebrochen, Medikamente zur falschen Zeit oder in der falschen Menge eingenommen oder ärztliche Anweisungen nicht befolgt werden. Auch das Nicht­erscheinen zu Nachsorge­terminen oder das Vermeiden von not­wendigen Veränderungen im Lebens­stil kann ein Zeichen für Non-Adhärenz sein.4
Adhärenz kann gemessen werden: Bei einer immunsuppressiven Therapie kann eine Messung des Wirkstoff­spiegels im Blut eine unregel­mäßige Einnahme anzeigen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, durch regel­mäßige Selbst­beurteilung oder beispiels­weise eine elektronische Pillen­box, aber auch auf Grundlage von Apotheken­daten, die Adhärenz zu beurteilen.8
  1.  Draco. Adhärenz. Dr. Roxane Lorenz. URL: https://www.draco.de/adhaerenz/ (zuletzt abgerufen am: 08.08.2024)
  2. Immunologie für Jedermann. Abstoßung und Immunsuppression. 2024. https://das-immunsystem.de/wissenswertes/­organtransplantation/abstossung-und-immunsuppression/ (zuletzt abgerufen am 09.08.2024)
  3. Noehre M., Erim Y., Vitinius F., Klewitz F., Schiffer M., and de Zwaan M., [Adherence to Immunosuppressive Medication Following Organ Transplantation]. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 2018.
  4. Dew M.A., DiMartini A.F., De Vito Dabbs A., Myaskovsky L., Steel J., Unruh M., et al., Rates and risk factors for nonadherence to the medical regimen after adult solid organ transplantation. Transplantation, 2007
  5. Vlaminck H., Maes B., Evers G., Verbeke G., Lerut E., Van Damme B., et al., Prospective study on late consequences of subclinical non-compliance with immunosuppressive therapy in renal transplant patients. Am J Transplant, 2004. 4(9): p. 1509-13. 53.
  6. Prihodova L., Nagyova I., Rosenberger J., Majernikova M., Roland R., Groothoff J.W., et al., Adherence in patients in the first year after kidney transplantation and its impact on graft loss and mortality: a cross-sectional and prospective study. J Adv Nurs, 2014
  7. WHO Library Cataloguing-in-Publication Data. Adherence to long-term therapies: evidence for action. WHO 2003. ISBN 92 4 154599 2
  8. Lieb. Adhärenz und psychische Gesundheit nach Nierentransplantation. 2022. URL: https://open.fau.de/items/0efb18fd-9180-43f1-bdde-f9c3e68af5b2/full (zuletzt abgerufen am 09.08.2024)
  9. Gorenoi, V.; Schönermark, M.P.; Hagen, A. (2007). Maßnahmen zur Verbesserung der Compliance bzw. Adherence in der Arzneimitteltherapie mit Hinblick auf den Therapieerfolg. portal.dimdi.de. URL: https://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/­hta206_bericht_de.pdf (zuletzt abgerufen am 21.08.2024)

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