Wie läuft eine Organspende ab?
Bei einer postmortalen Organspende spielt Zeit eine große Rolle. So dürfen von der Organentnahme bei dem*der Spender*in bis zum Transplantations-OP bei der empfangenden Person meist nur wenige Stunden vergehen. Da dabei verschiedenste Prozesse parallel ablaufen und viele unterschiedliche Menschen wie Ärzt*innen, Pflegepersonal, Angehörige oder Transportpersonal beteiligt sind, müssen alle Bereiche eng und koordiniert zusammenarbeiten. Bei einer Lebendspende hingegen ist die Operation langfristiger planbar, weshalb Zeit kein so ausschlaggebender Faktor ist und die unterschiedlichen Schritte im Vorfeld organisiert werden können. In den nachfolgenden Kapiteln erfahren Sie alles über den Ablauf einer Organtransplantation nach postmortaler Spende, von den Vorbereitungen auf eine Transplantation bis hin zu wichtigen Nachsorgeuntersuchungen bei dem*der Empfänger*in.
Vorbereitungen im Vorfeld einer Organtransplantation
Feststellung des Hirntods und Prüfung der Zustimmung zur Organspende
Voruntersuchungen der Spender*innen
Meldung an Eurotransplant und Benachrichtigung der Empfänger*innen
Sobald alle benötigten Laborwerte und Daten der spendenden Person vorliegen, können diese an die Vermittlungsstelle Eurotransplant weitergeleitet werden. Eurotransplant ist eine europäische Stiftung, die Organspenden zwischen den acht teilnehmenden europäischen Ländern (z. B. Niederlande, Belgien, Österreich, Kroatien) vermittelt, und über eine internationale Warteliste die passenden Empfänger*innen auswählt. In die Auswahl wird neben der Blutgruppen- und Gewebeverträglichkeit auch die Distanz zwischen Spender*in und Empfänger*in einbezogen, um eine Schädigung des Organs durch lange Transportzeiten zu vermeiden. Über allem stehen zudem immer die Dringlichkeit und die Erfolgsaussicht einer Transplantation entsprechend der medizinischen Kriterien der Wartelistenpatient*innen.7
Nachdem die potenziellen Empfänger*innen informiert wurden, müssen diese schnellstmöglich zum Transplantationszentrum aufbrechen bzw. transportiert werden. Daher müssen Personen auf der Warteliste immer erreichbar und auf einen längeren Krankenhausaufenthalt vorbereitet sein. Dies bedeutet auch, dass das Transplantationszentrum stets über eine längere Abwesenheit beispielsweise aufgrund einer Reise, eines Krankenhausaufenthaltes oder einer anhaltenden Krankheit informiert werden sollte. Direkt nach der Ankunft der Empfänger*innen im Transplantationszentrum werden notwendige Untersuchungen durchgeführt, um ihren Gesundheitszustand zu evaluieren. Darüber hinaus wird bereits mit der immunsuppressiven Therapie gestartet. Diese ist notwendig, um das transplantierte Organ vor dem körpereigenen Abwehrsystem zu schützen (siehe Immunsuppressive Therapie).8-11
Ablauf der Organtransplantation
Organentnahme
Grundsätzlich läuft die Organentnahme mit der gleichen chirurgischen Sorgfalt ab wie eine Operation bei einem lebenden Menschen. Eine postmortal spendende Person kann theoretisch bis zu sieben Organe spenden. Zudem ist auch eine Gewebespende möglich. Nach der Organentnahme wird der*die Spender*in gewissenhaft versorgt und die Wunden vernäht und verbunden. Angehörige können anschließend Abschied nehmen, bevor der Leichnam zur Bestattung übergeben wird.1
Organtransplantation
Sobald das Organ entnommen wurde, ist aufgrund fehlender Durchblutung und Sauerstoffversorgung Eile geboten, um eine Schädigung des Organs durch eine Unterversorgung und entstehende Abbauprodukte zu verhindern. Daher sollte die Zeit zwischen Entnahme und Transplantation (auch Ischämiezeit genannt) möglichst kurz gehalten werden. Zusätzlich wird das Organ während des Transports dauerhaft gekühlt und konserviert.12
Im Transplantationszentrum wird parallel der*die Empfänger*in auf die Operation vorbereitet. Nach Ankunft des Organs wird dieses erneut vom Operationsteam überprüft, vorbereitet und anschließend sofort transplantiert. Je nach transplantiertem Organ läuft die Operation anders ab.
So verbleiben bei einer Nierentransplantation die beiden funktionsunfähigen Nieren normalerweise im Körper und die neue Niere wird zusätzlich transplantiert (siehe Nierentransplantation: Alles was Sie wissen müssen). In sehr seltenen Fällen muss eine der funktionslosen Nieren aus Platzgründen ebenfalls entnommen werden. Anschließend wird die gespendete Niere mit dem Blutsystem und die Harnleiter mit der Harnblase verbunden. Eine Nierentransplantation dauert in der Regel ca. zwei Stunden.13
Im Gegensatz dazu wird bei einer Lebertransplantation das funktionslose Organ entnommen und das Transplantat eingesetzt (siehe Lebertransplantation: Alles, was Sie wissen müssen). Im nächsten Schritt wird dann die neue Leber mit den blutversorgenden Gefäßen und dem Gallengang verbunden. Der Eingriff kann zwischen vier und acht Stunden dauern.14
Die unmittelbare Nachsorge nach der Transplantation
Patient*innen nach einer Organtransplantation bleiben, je nachdem welches Organ transplantiert wurde, erst einige Tage auf der Intensivstation und werden dann in der Regel auf eine Station verlegt, die auf Transplantationen spezialisiert ist. Der Krankenhausaufenthalt dauert in der Regel zwei bis drei Wochen, hängt jedoch stark vom Gesundheitszustand der Patient*innen und der Art der Transplantation ab. Danach geht es für viele Patient*innen in spezielle Rehabilitationskliniken, wo sie Schritt für Schritt auf die Rückkehr in ihren Alltag vorbereitet werden.15,16 In den ersten Wochen liegt der Fokus dabei vor allem auf der Wundheilung, der Überwachung möglicher Abstoßungsreaktionen und einer ersten Mobilisation. Darüber hinaus wird auch überprüft, ob das neue Organ seine Funktion ordnungsgemäß aufnimmt. Später steht dann vor allem die Vorbereitung auf ein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben im Mittelpunkt.
Damit das neue Organ vom körpereigenen Abwehrsystem nicht als fremd identifiziert und abgestoßen wird, müssen alle Transplantierten lebenslang immunsuppressive Medikamente einnehmen (siehe Immunsuppressive Therapie). Die Dosierung wird in den ersten Wochen nach der Transplantation individuell angepasst und bei Bedarf verändert, da der Wirkspiegel im Blut genau abgestimmt sein muss: Das Immunsystem soll ausreichend unterdrückt werden, ohne dabei stark einschränkende Nebenwirkungen zu verursachen.11 Daher ist es sehr wichtig, dass die Medikamente immer rechtzeitig und entsprechend der ärztlichen Vorgaben eingenommen werden.
Nach einer Organtransplantation sind – wie bei allen medizinischen Maßnahmen – Risiken und Komplikationen möglich (siehe Komplikationen nach Leber- oder Nierentransplantation). Die Betroffenen selbst können dabei helfen, dass mögliche Komplikationen, wie z.B. eine Abstoßungsreaktion, frühzeitig erkannt und rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden. So sollten immer alle Nachsorgeuntersuchungen wahrgenommen und sehr wachsam auf erste Anzeichen einer Abstoßungsreaktion geachtet werden (z. B. Fieber, Hautausschläge; siehe Transplantatabstoßung: Alles Wichtige für Betroffene).
Fazit
FAQ
Eine Organspende ist eine lebensrettende Operation und kann schwerkranken Menschen das Leben retten und ihnen die Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Daher sollten sich alle Menschen vor ihrem Tod Gedanken darüber machen, ob sie einer postmortalen Organspende zustimmen möchten. Da in Deutschland bei Organspenden die erweiterte Zustimmungslösung gilt, ist eine Spende nur möglich, wenn die Verstorbenen ihre Entscheidung dokumentiert haben (z. B. Organspendeausweis, Organspenderegister, Patient*innenverfügung) oder die Angehörigen im Sinne des*der Verstorbenen entscheiden. Personen, die auf ein Organ warten, sollten aufgrund des engmaschigen Prozesses und schmalen Zeitfensters durch die Ischämiezeit immer erreichbar und auf einen längeren Krankenhausaufenthalt vorbereitet sein.
Ein Organ kann entweder nach einer postmortalen Spende oder unter besonderen Voraussetzungen nach einer Lebendspende transplantiert werden. Bei einer postmortalen Spende wird der unumkehrbare Hirntod2 sowie die Zustimmung der spendenden Person geprüft 3,4 und anschließend die DSO über eine potenzielle Organspende informiert.7 Ein*e Mitarbeiter*in der DSO koordiniert alle nachfolgenden Schritte von der Voruntersuchung der Spender*innen über die Meldung bei Eurotransplant bis hin zur Organspende-Operation.7,12
Eine Organtransplantation kann sich abhängig davon, welches Organ transplantiert werden soll, stark unterscheiden. Während bei einer Nierentransplantation beide Nieren im Körper verbleiben und die neue Niere zusätzlich transplantiert wird13, muss bei einer Lebertransplantation das funktionslose Organ entnommen werden, um Platz für das Transplantat zu schaffen.14
Bei einer postmortalen Organspende hängt die Reihenfolge der Organentnahme von mehreren Faktoren ab, darunter die Organqualität, die Zeitfenster für die Transplantation und die Prioritäten der Empfänger. In der Regel werden zuerst Herz und Lunge entnommen. Anschließend folgen Leber, Bauchspeicheldrüse und Nieren. Die Reihenfolge richtet sich dabei danach, wie lange das jeweilige Organ nach der Entnahme ohne Schäden überleben kann (Ischämiezeit). Zum Beispiel muss ein Herz sehr schnell transplantiert werden, während eine Niere eine etwas längere Ischämiezeit tolerieren kann.17
Bei einer postmortalen Organspende arbeiten verschiedene Institutionen und Personen engmaschig zusammen. Nachdem der Hirntod festgestellt2 und die Zustimmung geprüft wurde3,4, wird die DSO über eine potenzielle Organspende informiert.7 Sobald der medizinische Zustand der zu spendenden Organe geprüft wurde und alle Labordaten vorliegen, können die Organe an Eurotransplant gemeldet werden.7 Personen auf der Warteliste müssen bei einer Meldung schnellstmöglich in ihr Transplantationszentrum aufbrechen und werden dort noch einmal untersucht sowie auf die Operation vorbereitet. Parallel werden die gespendeten Organe entnommen, auf kürzestem Wege zum Transplantationszentrum transportiert und der*dem Empfänger*in transplantiert.12
- Deutsche Stiftung Organspende. Ablauf einer Organspende – vereinfachte Darstellung. https://dso.de/organspende/allgemeine-informationen/organspende-in-deutschland/ablauf-einer-organspende, abgerufen am: 22.01.2025
- Bundesärztekammer. Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG. https://www.organspende-info.de/fileadmin/Organspende/01_Informieren/06_Gesetze_und_Richtlinien/03_Gesetze_und_Richtlinien/BZgA_Website_Organspende_RichtlinieIHA_FuenfteFortschreibung.pdf, abgerufen am: 10.01.2025
- Bundesministerium für Gesundheit. Fragen und Antworten zum Thema Organspende. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/organspende/faqs#collapse-control-745, abgerufen am: 09.01.2025
- Bundesministerium für Justiz. Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben. https://www.gesetze-im-internet.de/tpg/, abgerufen am: 10.01.2025
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Welche Vorerkrankungen schließen eine Organspende aus? https://www.organspende-info.de/blog/welche-vorerkrankungen-schliessen-eine-organspende-aus/, abgerufen am: 15.01.2025
- Bürk C. SWR Wissen: Gibt es bei Organspenden eine Altersgrenze? https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/gibt-es-bei-organspenden-eine-altersgrenze-106.html, abgerufen am: 09.01.2025
- Universitätsklinikum Leipzig. Ablauf einer Organspende. https://www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/transplantationsbeauftragte/ablauf-einer-organspende, abgerufen am: 27.01.2025
- netDoktor. Immunsuppression. 2024. https://www.netdoktor.de/therapien/immunsupression/, abgerufen am: 06.01.2025
- Gelbe-Liste. Immunsuppressiva. https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen/immunsuppressiva, abgerufen am: 06.01.2025
- AWMF. S2k-Leitlinie Lebertransplantation der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). 2023. https://register.awmf.org/assets/guidelines/021-029l_S2k_Lebertransplantation_2024-07.pdf, abgerufen am: 07.01.2025
- Adam C, Mihm J. Immunsystem und Immunsupressiva. Lebenslinien (Lebertransplantierte Deutschland e.V.) 2015;1
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Entnahme und Transport der Spenderorgane. https://www.organspende-info.de/organspende/ablauf-einer-organspende/entnahme-transport/, abgerufen am: 22.01.2025
- Universitätsmedizin Göttingen. Ablauf der Nierentransplantation. https://nierentransplantation.umg.eu/die-transplantation/, abgerufen am: 22.01.2025
- Uniklinikum Würzburg. Ablauf einer Lebertransplantation. https://www.ukw.de/behandlungszentren/leberzentrum/schwerpunkte/lebertransplantation/ablauf-einer-lebertransplantation/, abgerufen am: 22.01.2025
- Universitätsklinikum Tübingen. Ablauf der Lebertransplantation. https://www.medizin.uni-tuebingen.de/files/download/dRge4NvmVJ6gkWlxn09AQ2wY/3.%20Ablauf%20der%20Lebertransplantation_final.pdf, abgerufen am: 22.01.2025
- Universitätsklinikum Tübingen. Ablauf einer Nierentransplantation. https://www.medizin.uni-tuebingen.de/files/view/0OP6En7BXZMAyPZwz8kRyWeA/Transkript_Ablauf%20einer%20Nierentransplantation.pdf, abgerufen am: 22.01.2025
- Organspende-Wiki. Ischämiezeit. https://www.organspende-wiki.de/wiki/index.php?title=Isch%C3%A4miezeit#:~:text=Bei%20TX%20bezeichnet%20die%20Isch%C3%A4miezeit,nimmt%20und%20wieder%20einwandfrei%20funktioniert., abgerufen am: 24.01.2025
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